Lassen Sie uns gemeinsam stolpern

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Reihum führen die Krefelder Schulen an diesem Datum eine Gedenkveranstaltung durch. In diesem Jahr stand die Gesamtschule am Botanischen Garten zum ersten Mal als Ausrichter auf dem Programm.

Staccato-Rhythmen schallten am Freitagmorgen durch die Aula der Gesamtschule am Botanischen Garten. Die Klasse 6c unter der der Leitung von Eva Ribninger-Kruse begrüßte die zum großen Teil geladenen Gäste der Veranstaltung mit einer Trommel-Kisten-Performance und entfaltete damit zugleich die Leitgedanken der Veranstaltung – wachsam bleiben, beteiligt sein und sich für die Zukunft erinnern

Nach dem ausdrucksvollen Auftakt betrat die didaktische Leiterin der Gesamtschule am Botanischen Garten, Anke Marona, als Moderatorin der Veranstaltung die Bühne. In gebührender Achtung vor dem Anlass gelang es ihr durchweg, der Veranstaltung eine pietätvolle Leichtigkeit zu verleihen und die einzelnen Beiträge in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

In diesem Sinne kündigte sie auch den zweiten Beitrag des Tages an, Kanon und Gigue für Violinen und Basso von Johann Pachelbel, intoniert von Eva Ribninger-Kruse, Maria Kiefer und Stephan Krings.

Darauf folgten mehrere Wortbeiträge. Bürgermeister Frank Meyer prononcierte Wegmarken jüdischen Lebens in der Geschichte der Stadt Krefeld und empfahl den Zuhörern an, Toleranz müsse stets neu erarbeitet werden, sodass Hass und Hetze keine Chancen gegeben werden könne.

Samuel Naydych, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde der Stadt Krefeld, verwob Fäden der Vergangenheit mit jenen aus der Gegenwart, indem er von einem 94-jährigen Ukrainer berichtete, der vier Konzentrationslager überlebt, kürzlich aber bei einem russischen Bombenangriff sein Leben verloren habe.

Vor dem Hintergrund der derzeit in den Feuilletons geführten Debatte über Sinn und Form der zeitgenössischen Erinnerungskultur erteilte die Leiterin der Krefelder NS-Dokumentationsstelle, Sandra Franz, jedweden Bestrebungen, das Erinnern an den Holocaust zu diskreditieren, eine deutliche Absage; vielmehr mahnte sie an, es sei immer noch nicht genug erinnert worden.

Warnend wirkten auch die mehrfach aus dem Off von Schülerinnen und Schülern vorgetragenen Gedichte von KZ-Insassen.

In emotionaler Hinsicht aber stach insbesondere der Beitrag des „Darstellen-und-Gestalten-Kurses“ von Frau Edling hervor. Schülerinnen und Schüler spielten auf der Bühne zunächst stereotype Sequenzen unter Jugendlichen auf einer Zugfahrt, die darauffolgend in einem eine cineastische Spiegelung in einem Deportationszug erfuhren und das Publikum emotional sehr berührten.

Ein weiterer Brückenschlag gelang dem „Darstellen-und-Gestalten-Kurses“ von Frau Dagge – Schülerinnen und Schüler des Kurses stellten in szenischem Spiel Situationen aus dem Schulalltag dar, in denen dem Jiddischen entnommene Lehnwörter wie „meschugge“ und „Tacheles“ besonders hervorgehoben worden.

Der zweite Filmbeitrag der Veranstaltung erzählte von der Stolpersteinverlegung – auch durch Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule am Botanischen Garten – in den Krefelder Stadtteilen Linn und Oppum und bot der Schulleiterin Birgit Oelmüllers-Hoff in ihrem Wortbeitrag Anknüpfungspunkte:

Stolpern mache wachsamer, weshalb sie abschließend darauf drang: „Lassen Sie uns gemeinsam stolpern.“ Musikalisch schloss sich der Rahmen der Veranstaltung im Friedenslied von Peter Schindler, in Ton gesetzt vom erst kürzlich formierten Lehrer-Vocal-Ensemble unter der Leitung von Stephan Krings.

Nach dem Ende des Programms hatten alle Gäste die Möglichkeit, in den Räumen der Schule Arbeitsergebnisse aus der unterrichtlichen Auseinandersetzung mit dem Judentum, der Schoah, Roma und Sinti sowie dem Nationalsozialismus zu betrachten. Zudem bot der Hauswirtschaftskurs unter Leitung von Frau Soboll und Herrn Forg Fingerfood israelischen Gepräges an.